Passage

Katalogtext von Ulrike Rathjen, Kunsthistorikerin

Im Werke Sigrid Stabels sind inszenierte Erinnerung und Gedankenläufe grundlegend. Sie entzünden sich an Fundstücken und/oder Alltagsgegenständen und realen Räumen. Kaum Greifbares, hauchzarte Gedanken, die scheinbar verschüttet und zerbrechlich ruhen, die privat oder öffentlich sein können, werden von Stabel zu komplexen Settings bearbeitet bzw. verfremdet. Reale Dinge bzw. Räume und zeitlicher Raum gehen eine Synthese ein und erzeugen damit eine Atmosphäre vom Überdauern der Zeit. Die Künstlerin bildet eine mögliche Gegenwart ab und gibt ihr die gedanklichen Potentiale von Vergangenheit und Zukunft.

Dem Raum als architektonischen Ort begegnet man in Stabels Arbeiten häufig. Raumelemente oder eine Architektur werden zum einen zu Grundlagen abstrakter Muster, zum anderen zu Gehäusen, die den Rahmen für Leben und Wesen von Historizität, vager Erinnerung, kunstimmanentem Experiment geben. In gewisser Weise durchlaufen die Räume eine Transformation und sind wiederum Ideengeber für ästhetische Prozesse.

Ein Zeitraum, der hierbei immer wieder auftaucht, ist das 19. Jahrhundert in seiner Erscheinung als symbolistische, dunkel-romantische und gleichzeitig aufgeklärte Epoche. Generell überlagern sich Epochen und Strukturen in Stabels Arbeit und erzeugen räumliche und gedankliche Bewegung.

Dieser Aspekt wird ebenfalls augenfällig bei ihren Animationen, die Tiere als instinktgesteuerte Protagonisten zeigen, die zu Projektionsflächen für menschliches Verhalten und Psychologie werden. Diese visuellen Fabeln appellieren an die Anlagen der Natur respektive Triebhaftigkeit und Unterbewusstsein in einer traumartigen und vibrierenden und gleichzeitig eindeutigen Weise.

Stabel arbeitet mit den Realitäten vielschichtig und sehr speziell; sie erweitert den Raum, die Erinnerung, das Vorgefundene um die zeitliche Komponente, sie mischt Realität und Fiktion und erzeugt damit unerklärlich scheinende und versponnene, sowie klare und witzig-absurde Darstellungen und Sequenzen! Der spezifischen Farbigkeit in Sigrid Stabels Werk wäre ein eigenes Kapitel zu widmen. Bei vielen Arbeiten ist das Kontrastieren von Buntfarbigkeit, die an Farbfeldmalerei und Pop Art der 1960er Jahre erinnert, mit den bleichen Farben oder den Schwarz-Grau-Nuancen eines vorgefundenen Settings zu erkennen, das zu einem Stilmerkmal der Künstlerin gezählt werden kann.

Sigrid Stabel schlägt mit ihrem Werk den Bogen vom persönlichen Bereich hin zu grundlegend menschlich-existenziellen Themen und erzeugt damit die intensive Beteiligung des Betrachters. Die angesprochenen Elemente Raum, Zeit/Historizität sowie existenzielle Themen erscheinen in stets neuen Bildsprachen und unterschiedlichen Medien – Fotografie, Animation, Film und Installation.